
Schon zum dritten Mal stelle ich hier zehn spannende Fremdwörter vor. Ihren „Nutzen“ kann man anzweifeln: Sie sind so selten, dass sie sich nur sehr eingeschränkt verwenden lassen. Zu groß ist das Risiko, mit ihnen unnötige (Verständnis-)Hürden aufzubauen. Warum erkläre ich sie trotzdem?
Zum einen kommen sie durchaus noch vor, etwa in anspruchsvollen journalistischen Beiträgen. Sie sind mir alle begegnet. Sobald ich irgendwo so ein Wort aufschnappe, kommt es auf meine Liste.
Zum anderen setze ich mich unheimlich gerne für die Vielfalt unserer Sprache ein. Wenn ich ein kleines bisschen dazu beitragen kann, dass diese Wörter nicht aussterben, freue ich mich. Und ich weiß: Wenn Sie diesen Beitrag lesen – also das Interesse aufbringen –, sehen Sie das ganz ähnlich.
Das Inhaltsverzeichnis verrät Ihnen, welche Wörter heute dran sind.
1. sinister
Das Wort sinister bezeichnet etwas Unheilvolles, Dunkles, Bedrohliches. Im Lateinischen bedeutet sinister „links“. Da die linke Seite lange als negativ galt, bekam das Wort die Bedeutung „unheilvoll“ oder „düster“.
Beispiel: Ihm schwante Böses, als sie mit einem sinistren Lächeln die Pläne auf den Tisch legte.
In der Medizin sagt man heute noch sinister zur linken Seite.
2. obligat
Wenn etwas obligat ist, so ist es unerlässlich oder zwingend erforderlich. Das Wort leitet sich vom lateinischen obligare („verpflichten“) ab. Oft wird der Ausdruck leicht spöttisch verwendet.
Beispiel: Natürlich durfte auch der obligate Blumenstrauß nicht fehlen – wie sonst sollte er sich bei der Gastgeberin einschmeicheln?
In der Musik markiert der Ausdruck eine Stimme oder ein Instrument, das in einem Stück unbedingt vorgesehen ist.
3. ephemer
Etwas Ephemeres ist nur von kurzer Dauer – und oft auch ohne bleibende Bedeutung. Das Wort wird gern im Kontext von Kunst und Philosophie gebraucht. Es stammt vom griechischen ephēmeros ab, was „einen Tag lang“ bedeutet.
Beispiel: Ihr Ruhm war ephemer – nach wenigen Wochen sprach niemand mehr über sie.
Auch in der Biologie und Zoologie findet das Wort Verwendung. Ephemeren sind einjährige Pflanzen, Ephemeroptera Eintagsfliegen.
Als Ephemera bezeichnet man schließlich kurzlebige Papierprodukte wie Postkarten, Eintrittskarten, Lesezeichen und ähnliche Kleindrucksachen – oftmals Gegenstand einer Sammelleidenschaft.
Als Nebenform existiert auch noch das Adjektiv „ephemerisch“.
4. kapital
Wenn etwas kapital ist, ist es ungewöhnlich groß oder besonders schwerwiegend. Meist wird das Wort negativ verwendet, etwa im Zusammenhang mit „Fehler“ oder „Schaden“. In der Jägersprache ist außerdem der kapitale Hirsch verbreitet – ein Tier mit einem besonders prächtigen Geweih.
Beispiel: Es war ein kapitaler Fehler, die Warnungen zu ignorieren.
Das Wort leitet sich vom lateinischen capitalis ab, was „den Kopf betreffend“ bedeutet. Diesen Wortsinn erkennt man noch im Kapitalverbrechen: ein schwerwiegendes Verbrechen wie Mord, das früher mit dem Tod bestraft wurde. Wir sind hier also beim „Köpfen”.
5. dezidiert
Dezidiert bedeutet klar und bestimmt. Wer eine dezidierte Meinung äußert, spricht sie entschieden und unmissverständlich aus. Die Wortherkunft ist im lateinischen decidere für „entscheiden“ zu finden.
Beispiel: Mit seiner dezidierten Kritik an der Führungsetage machte er sich keine Freunde.
6. dediziert
Nicht zu verwechseln mit dezidiert ist das ähnlich lautende dediziert. Etwas ist dediziert, wenn es speziell für einen bestimmten Zweck oder eine bestimmte Person vorgesehen ist. Pate stand hier das lateinische dedicare für „widmen“.
Beispiel: Für die Verarbeitung der Daten haben wir einen dedizierten Server.
7. synoptisch
Synoptisch bedeutet zusammenfassend, überblickartig. Das Wort stammt aus dem Griechischen – synoptikos lässt sich mit „das Ganze überblickend“ übersetzen. Es geht also um die Fähigkeit, verschiedene Aspekte eines Themas nebeneinanderzustellen und zu einem Gesamtbild zu kommen.
Beispiel: Die synoptische Darstellung der Umfrageergebnisse zeigt klare Trends.
8. perhorreszieren
Wer etwas perhorresziert, lehnt es entschieden ab. Es spielt sogar Abscheu mit rein. Das Verb kommt vom lateinischen perhorrescere für „sich heftig entsetzen“.
Beispiel: In ihrem Vortrag perhorreszierte die Referentin jegliche Form von Aberglaube.
9. insinuieren
Wenn jemand etwas insinuieren will, dann legt er es geschickt nahe, ohne es direkt auszusprechen. Das Wort bedeutet so viel wie unterstellen, durchblicken lassen. Dabei geht es oft um zweifelhafte oder sogar manipulative Behauptungen.
Beispiel: Willst du damit etwa insinuieren, dass ich meine Beförderung nicht allein meinen Leistungen zu verdanken habe?
Auch dieses Wort stammt aus dem Lateinischen: Insinuare bedeutet hineinstecken. Man „schiebt“ also quasi eine Behauptung in das Denken des Gegenübers, ohne sie explizit auszusprechen.
10. Adlatus
Ein Adlatus ist der Gehilfe einer höhergestellten Person. Die Bezeichnung wird heute eher scherzhaft verwendet.
Beispiel: Er trägt ihr alles hinterher, als sei er ihr Adlatus.
Auch hier haben wir wieder einen lateinischen Ursprung: Die Wendung ad latus bedeutet „zur Seite“.
Fazit: Fremdwörter erweitern den Horizont
10 wunderbare Wörter – eigentlich schade, sie nicht zu verwenden, oder? Einige sind natürlich verbreiteter als andere. Aber vielleicht können Sie auch den selteneren unter ihnen zu neuem Glanz verhelfen, indem Sie sie im Bekanntenkreis einführen.
Wenn also das nächste Mal im Gruppenchat jemand vorschlägt, sich doch schon um 6 Uhr früh zum Yoga im Park zu treffen, könnten Sie antworten: „Diesen Vorschlag muss ich entschieden perhorreszieren.“ (Okay, ich scherze.)
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Danke, das ist sehr vergnüglich zu lesen!
Eine Frage zu den kurzlebigen Druckerzeugnissen: Heißen die wirklich Epherema? Oder eher Ephemera? Immerhin stehen sie unter dem Stichwort „ephemer“.
Hallo Herr Ladurner,
das war ein lustiger Buchstabendreher, danke für Ihr aufmerksames Auge! Ist korrigiert.
Viele Grüße
Annika Lamer
Mit Freude gehöre ich als sprachbewusster Mensch seit gerade eben zu Ihren Abonennten. In Ihrem Postscriptum lese ich die Bezeichnung „Abonnierender“ und gerate ins Grübeln über die genaue Wortbedeutung von abonnieren. Ich habe den Rundbrief vor 5 Minuten abonniert, war vor 5 Minuten also ohne Zweifel ein Abonnierender. Aber bin ich es immer noch, jetzt wo ich gerade ein Schreibender bin? Ich meine: Nein!
Man sagt ja auch nicht „Ich abonniere drei Zeitungen.“, wenn man sagen will „Ich habe drei Zeitungen abonniert.“ oder „Ich bin Abonennt dreier Zeitungen.“. Was Meinen Sie?
Hallo Herr Ladurner,
das ist ein interessanter Einwand. Der Duden gibt als Bedeutung zu „abonnieren“ an: „im Abonnement beziehen“. Dann würde es wieder stimmen, denn „im Abonnement beziehen“ geschieht ja dauerhaft. Wenn Ihre Vermutung stimmt, hätte der Duden besser schreiben sollen: „ein Abonnement abschließen“.
Ich denke allerdings sehr wohl, dass Ihre Vermutung stimmt. : D
Sicherlich erschien mir die Lösung „Abonnierende“ attraktiver, als „Abonnent*innen“ oder „Abonnenten und Abonnentinnen“ zu schreiben. Dank Ihres Einwands werde ich aber wohl zur Doppelnennung umschwenken.
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Liebe Frau Dr. Lamer,
die Frage nach der richtigen Bedeutung von „abonnieren“ hat mich nicht in Ruhe gelassen.
Hier eine Verknüpfung zum DWDS-Korpus:
https://www.dwds.de/r/?corpus=kern&q=abonnieren
Anscheinend sind beide Bedeutungen geläufig. Für den Zustand des Abonnenten gibt es auch „abonniert sein auf etwas“:
„… daß der Mann auf den ‚Berliner Lokalanzeiger‘ abonniert war,“
Beispiel 10 könnte nach der Duden-Definition gemeint sein:
10:
Fries, Fritz Rudolf: Der Weg nach Oobliadooh, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1966, S. 12
Frau Cecilie abonnierte die Neuesten Nachrichten der Stadt.
In den meisten Fällen jedoch gebraucht man es im Sinne von „ein Abonnement abschließen“:
11:
Neutsch, Erik: Spur der Steine, Halle: Mitteldeutscher Verl. 1964 [1964], S. 701
Und wenn es dich beruhigt, ich habe die Zeitung abonniert.“
In sprachbegeisterter Verbundenheit
Berthold Ladurner
Hallo Frau Dr. Lamer,
eine weitere Möglichkeit, die Gesetzen der deutschen Spräche am gemäßesten wäre, haben Sie nicht erwähnt: Sie könnten „Abonnenten“ in der generischen Bedeutung des Wortes verwenden. Sicher wäre ich nicht der einzige sprachbewusste Mensch, der sich darüber freuen würde.
Herzliche Grüße
Berthold Ladurner
Hallo Herr Ladurner,
nein, diese Möglichkeit ziehe ich nicht in Betracht.
Herzliche Grüße
Annika Lamer
Es gibt hier ein unschöne Mischung in der Anrede:
Dein Kommentar muss noch moderiert werden.
Schreiben Sie einen Kommentar.
Sobald Sie auf Senden klicken, …
Könnten Sie bitte überall auf „Sie“ umstellen? Das ist ja auch die Form, die Sie in Ihren Kommentaren gebrauchen.
Herzlichen Dank!
Hallo Herr Ladurner,
„Dein Kommentar muss noch moderiert werden“ ist von WordPress so voreingestellt. Es ist oft schwer, als Laie da ranzukommen. Muss ich mal schauen …
Viele Grüße
Annika Lamer
Liebe Annika,
ich habe mir deine Nachricht extra aufgehoben, bis ich Zeit hatte, genüßlich darauf herumzulesen.
Obwohl ich mich für einigermaßen belesen halte, war ich dieses Mal wirklich auf deine Erklärungen angewiesen, denn einige der Wörter hatte ich noch nie gehört oder gelesen! So habe ich gelernt, dass ich das Verb „implizieren“ bisher fälschlicherweise verwendet habe, wenn ich eigentlich „insinuieren“ meinte… sehr interessant! Auch den Unterschied zwischen obligat und obligatorisch musste ich erst im Duden nachschlagen. (Der Unterschied erscheint mir aber verschwindend gering, wenn ich nicht irre.)
Wie immer ein Schmankerl für alle Sprachconnaiseure und Bildungsgenießer – vielen Dank!