Mit den Werten ist das so eine Sache. Auf der einen Seite ist es natürlich löblich, wenn ein Unternehmen nicht nur nach dem maximalen Profit schielt, sondern auch Werte vertritt. Auf der anderen Seite hinterlassen die stolz hochgehaltenen Werte oft einen schalen Nachgeschmack – dann nämlich, wenn sie sich in Gemeinplätzen erschöpfen oder als Werbemittel instrumentalisiert werden.
Wenn Sie sich also mit dem Gedanken tragen, Werte in Ihren Unternehmensauftritt aufzunehmen – oder dies schon getan haben –, sollten Sie das nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Klar ist: Das Thema ist ebenso umfangreich wie komplex. Eine ultimative Anleitung kann auch ich Ihnen im Rahmen eines einzelnen Blogartikels nicht liefern. Es gibt aber einige Grundüberlegungen, die Ihnen bei Ihrer Wertegestaltung helfen können. Sie kreisen um folgende Fragen: 1. Brauche ich überhaupt Werte? 2. Wie kann ich meine Werte kommunizieren, ohne in die Floskelfalle zu tappen? 3. Was sollten mir meine Werte wert sein?
Die Gretchenfrage: Brauche ich überhaupt Werte?
Die Frage ist etwas provokant formuliert. Natürlich braucht jeder Mensch Werte, und jedes Unternehmen braucht Werte, weil es von Menschen für Menschen geführt wird. Was ich meine, ist: Muss ich meine Werte definieren und kommunizieren?
Es gibt Werte des respektvollen Miteinanders, die man meiner Meinung nicht extra zu kommunizieren braucht – Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Wertschätzung. Sich solche Werte als Einzelunternehmer/in groß auf die Fahnen zu schreiben, erinnert irgendwie an einen Marienkäfer, der auf das höchste Blatt klettert und großspurig verkündet: „Schaut her, ich kann fliegen!“ Mitbewerber, die sich nicht explizit als ehrlich und zuverlässig bezeichnen, sind dies doch sicher nicht weniger.
Die Frage ist also, ob sich Ihre Werte – oder das, was Sie daraus machen – überhaupt von denen Ihrer Mitbewerber unterscheiden. Wenn das nicht der Fall ist, nun ja, dann können Sie Ihren Kunden die großen Reden auch ersparen.
Werte richtig definieren
Schauen wir mal, welche Werte andere Unternehmen gerne angeben: Zuverlässigkeit, Fairness, Verantwortung, Wertschätzung, Kundenorientierung, Ehrlichkeit, Offenheit, Transparenz, Engagement – die Liste ließe sich noch eine Weile so fortführen.
Solche Schlagwörter sind die idealen Kandidaten für die hübschesten Hochglanzsätze:
Kundenorientiertes Arbeiten und bedingungslose Transparenz in all unserem Tun sind uns ein großes Anliegen.
Stopp. Mal ehrlich: Erwarten Sie wirklich, dass der Kunde diese Phrasen aufmerksam liest und sich sagt: „Oh, wow, dieses Unternehmen arbeitet kundenorientiert und transparent, da werde ich mich hinwenden?“ Viel eher wird er über die Hochglanzsätze hinweglesen und bei sich denken: „Ja ja, blabla, wann kommt endlich die Produktinformation?“
Wenn Sie also über Werte sprechen wollen, sollten Sie sich nicht auf Floskeln beschränken. Beschreiben Sie stattdessen konkret, was Sie machen, um den Wert „Kundenorientierung“ oder „Transparenz“ in die Tat umzusetzen.
Transparenz ist uns wichtig. Deshalb werden Sie regelmäßig über alle laufenden Schritte informiert und erhalten zu jeder Zeit Einblick in die Projektdokumentation.
Idealerweise unterscheidet Sie diese Vorgehensweise von Ihren Mitbewerbern. Der Kunde wiederum bekommt nicht nur ein leeres Schlagwort um die Ohren gehauen, sondern weiß, welche Vorteile er konkret aus Ihren Werten zieht. Behaupten können Sie schließlich viel – wirklich glaubhaft werden Sie erst durch konkrete Maßnahmen.
Warum Werte (auch) für sich stehen müssen
Ja, es stimmt: Das Gute an Werten ist, dass sie in vielen Fällen einen Vorteil für beide Seiten schaffen. Wenn der Kunde von Ihren Werten profitiert – Beispiel hohe Transparenz –, profitieren Sie auch davon, weil der Kunde nämlich eher zu Ihnen kommt als zum (intransparenten) Mitbewerber.
Es gibt aber einen Haken an der Sache. Dazu folgendes Beispiel-Szenario:
Um Ihren Wert „Transparenz“ umzusetzen, müssen Sie viel investieren. Projektdokumentation und Informationsfluss zum Kunden kosten Sie Zeit und Geld – Ausgaben, die Ihre weniger transparenten Mitbewerber nicht haben.
Auf der anderen Seite haben Sie nicht den Eindruck, darüber wirklich Neukunden zu gewinnen. Potenzielle Kunden achten bei der Entscheidung für einen Wettbewerber gar nicht so auf die Transparenz – entweder weil ihnen das Bewusstsein für dieses Thema fehlt oder weil sie bei der Entscheidungsfindung gar nicht so tief in Ihre Leistungsmerkmale einsteigen. Stattdessen zählen für sie weit oberflächlichere Dinge, etwa der Preis oder der bekannte Name des Anbieters.
Und nun die Preisfrage: Angenommen, das Kosten-Nutzen-Verhältnis Ihres Wertes fällt betriebswirtschaftlich gesehen nicht gerade günstig aus – sprich: die Ausgaben sind höher als die Einnahmen. Würden Sie dann trotzdem daran festhalten?
Wenn Sie jetzt mit „ja“ antworten, haben Sie alles richtig gemacht. Dann ist Ihr Wert für Sie nämlich mehr als ein USP, um Kunden anzuziehen – dann ist er für Sie ein echter Wert. Dann hat er für Sie etwas mit Sinnhaftigkeit zu tun, mit Idealen: „So möchte ich arbeiten und nicht anders.“
Ebenso gibt es den umgekehrten Fall: Ein Unternehmen, das sich einen Wert auf die Fahnen schreibt, weil es sich dadurch ein besseres Image und höhere Umsätze verspricht – ohne diesen Wert wirklich zu leben. Ich bin der Meinung: Wer Werte nur als Werbemittel versteht, wer sie instrumentalisiert, schafft keine echten Werte. Mündige Kunden werden das merken und ihre Konsequenzen daraus ziehen.
Wenn Ihre Werte dazu beitragen, Ihre Kunden von sich einzunehmen – perfekt. Das sollte aber nicht Ihre alleinige Motivation sein. Ein „echter“ Wert muss auch für sich alleine stehen können. Er muss da sein, weil Sie davon überzeugt sind, mit ihm das Richtige zu tun – nicht nur, weil sie mit ihm Ihren Umsatz steigern wollen.
Fazit: Werte oder Alleinstellungsmerkmale?
Echte Werte haben also wenig mit den Floskeln gemein, die man so oft auf Unternehmensseiten findet und deren einziger Daseinsgrund zu sein scheint, dass sie so salbungsvoll klingen.
Nehmen Sie Ihre Werte ernst. Überlegen Sie, wie sie sich konkret in Ihrem Arbeitsalltag niederschlagen und ob sie für Sie wirklich einen Wert an sich darstellen. Kommen Sie hier ins Trudeln, lassen Sie Werte Werte sein und konzentrieren sich lieber auf Ihre Alleinstellungsmerkmale. Vielleicht werden Sie feststellen, dass der Unterschied zwischen beiden gar nicht so groß ist. Hauptsache, Sie ersparen sich und Ihren Kunden unnötig pathetische Reden.
Lesen Sie auch:
Hilfe, mein Werbetext quillt über! Warum weniger oft mehr ist
16 Content-Ansätze für Ihre Über-uns-Seite
Wie Sie Ihre wahren Wunschkunden anziehen (und die falschen aussieben)
Wie wichtig sind Werte für Sie? Stellen Sie sie in Ihrem Unternehmensauftritt vor oder leben Sie sie lieber still und leise? Über Ihre Meinung im Kommentarfeld würde ich mich freuen.
*Sobald Sie auf Senden klicken, akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung dieser Website. Ihre E-Mail-Adresse wird nur für diese Kommentarfunktion eingesetzt, nicht ausgewertet und nicht weitergegeben. Nicht mehr, nicht weniger.