Regelmäßig bekomme ich Rechtschreibfragen zugeschickt. Für die Arbeit an meinem Buch über Rechtschreibung (Erscheinungstermin im Herbst) habe ich sie wieder hervorgeholt. Was beschäftigt Schreibende, wo liegen Stolperfallen, die sich auch durch Googeln nicht so schnell klären lassen? Ein paar dieser Fragen greife ich hier auf. Mit Klick auf den grauen Kasten gelangen Sie zur Antwort. Hätten Sie es gewusst?
Der richtige Fall
Was ist die richtige Version? „In Würdigung des Künstlers Philipp Soldan, eines der bekanntesten Söhne der Stadt“ oder „in Würdigung des Künstlers Philipp Soldan, einer der bekanntesten Söhne der Stadt“?
Antwort: Richtig ist es, bei solchen nachgestellten Erläuterungen den Fall an das Bezugswort anzupassen. Hier ist das der Genitiv: in Würdigung des Künstlers Philipp Soldan, eines der bekanntesten Söhne der Stadt.
Nun taucht eine Frage auf, bei der wir unterschiedlicher Meinung sind und ich kurz um Ihre Hilfe bitten möchte. Der Satz heißt: „Unser Restaurant bietet Platz für bis zu 50 Gäste“ – oder heißt es „Gästen“?
Antwort: Den richtigen Fall finden Sie heraus, wenn Sie „bis zu“ streichen: Unser Restaurant bietet Platz für 50 Gäste. Für wen? Für 50 Gäste => Akkusativ. Das „bis zu“ hat keinen Einfluss auf den Fall. Anders, wenn man umformuliert: Unser Restaurant bietet bis zu 50 Gästen Platz. Hier entscheidet dann „zu“ über den Fall (Dativ).
„Beraubt man“ – welcher Fall folgt hier? Es geht um folgenden Satz: „Durch das Zurückschneiden im Herbst beraubt man Pflanzen ihres natürlichen Winterschutzes, Tiere ihrer Verstecke, Nahrung und Überwinterungsmöglichkeiten und sich selbst auch manch schönen Winteraspekt(e)s.“
Antwort: Der Genitiv ist schon richtig, Sie haben also korrekt formuliert. Ihre Unsicherheit liegt wahrscheinlich daran, dass der Satz durch die vielen Genitive sperrig wirkt. Vielleicht können Sie umformulieren: Durch das Zurückschneiden im Herbst beraubt man Pflanzen ihres natürlichen Winterschutzes. Tiere verlieren ihre Verstecke, Nahrung und Überwinterungsmöglichkeiten. Nicht zu vergessen, man selbst muss auf manch schönen Winteraspekt verzichten.
Substantivierungen
„Das Sich-zur-Schau-Stellen einiger Kandidaten“, „das sich Einsetzen für den Frieden“ – wie funktioniert die Substantivierung bei reflexiven Verben? Mit Bindestrichen in Groß- und Kleinschreibung?
Antwort: Das Reflexivpronomen müssen Sie tatsächlich mit ankoppeln: das Sich-zur-Schau-Stellen einiger Kandidaten, das Sich-Einsetzen für den Frieden.
Wir diskutieren gerade über die korrekte Schreibung von „zum Rohessen“. Oder eher „zum roh Essen“? Hm, vielleicht können Sie uns da helfen.
Antwort: Die Zusammenschreibung ist richtig. Wenn Ihnen das schwer zu lesen erscheint, können Sie auch koppeln: zum Roh-Essen.
Ist ein Adjektiv substantivisch gebraucht, wenn das dazugehörige Substantiv im Satz zwar nicht ausdrücklich genannt, es aber logischerweise gedacht wird? „Das Naheliegende wird ganz übersehen: unser Immunsystem. Ich wünsche Ihnen ein perfektes.“ Die Frage: perfektes/Perfektes? Das Substantiv wird nicht im gleichen Satz, wohl aber im vorhergehenden genannt: Immunsystem. Ich gehe davon aus, dass hier ein Wahlrecht besteht, je nachdem, in welcher Funktion man das Adjektiv ansieht.
Antwort: In Ihrem Beispielsatz ist die Kleinschreibung richtig. Der Bezug zu „Immunsystem“ ist ja eindeutig gegeben. Dabei ist es egal, ob noch ein Punkt oder ein anderes Satzzeichen dazwischensteht.
Aus meiner Sicht handelt es sich im folgenden Satz um substantivierte Adjektive, die daher großgeschrieben werden können. Liege ich richtig? „Wenn zu Vieles uns belastet, Wesentliches nicht stimmt …“
Antwort: „Wesentliches“ ist ein substantiviertes Adjektiv und muss daher großgeschrieben werden. „Vieles“ ist ein Zahladjektiv. Zahladjektive werden normalerweise kleingeschrieben. Großschreibung ist möglich, wenn man den substantivischen Charakter betonen möchte. Mich stört hier aber das „zu“, es stört den substantivischen Charakter. Deshalb würde ich es vorziehen, „vieles“ kleinzuschreiben.
Die richtige Zeitform
Maximilian sagt zu mir: „Ich habe Kopfschmerzen.“ Später erzähle ich meiner Frau: „Maximilian hat mir gesagt, dass er Kopfschmerzen habe.“ Müsste ich zu meiner Frau sagen, dass er Kopfschmerzen hätte? Denn „habe“ ist ja Indikativ und (auch) erster Konjunktiv, oder?
Auf den Konjunktiv II müsste man nur ausweichen, wenn der Konjunktiv I genauso wie der Indikativ klingt. Das tut er hier nicht. Im Indikativ: Er hat Kopfschmerzen. Im Konjunktiv I: Er hat gesagt, dass er Kopfschmerzen habe. Es gibt zwar den Indikativ „ich habe“, aber hier haben wir ja „er“, deshalb ist der Unterschied deutlich erkennbar.
Es geht um folgenden Satz: „Schauplatz ist das post-nukleare Amerika, wo auch sämtliche Nachfolger des Spiels angesiedelt sind.“ Ich frage mich, welche Zeitform genau „angesiedelt sind“ ist. Eigentlich bildet „ansiedeln“ das Perfekt mit „hat“ und nicht mit „sein“.
Antwort: „Angesiedelt sind“ ist ein Zustandspassiv. Sie können sich denken: „… wo auch sämtliche Nachfolger des Spiels angesiedelt worden sind.“ Das „worden“ fällt weg.
Ich schrieb: „Mittlerweile ist der Sturmschaden behoben.“ Als der Brief weg war, dachte ich, dass ich besser „behoben worden“ hätte schreiben sollen. Ist „worden“ zwingend erforderlich oder reicht „behoben“ aus?
Antwort: Das geht beides. „Mittlerweile ist der Sturmschaden behoben“ legt die Betonung auf das Ergebnis (sogenanntes Zustandspassiv). Der Sturmschaden ist weg. „Mittlerweile ist der Sturmschaden behoben worden“ legt die Betonung auf die Handlung, passiv ausgedrückt. Jemand hat den Sturmschaden behoben.
Orthografie
Heißt es richtig „Werkstudent“ oder „Werksstudent“? Kommt das Fugen-s rein oder nicht? Hier scheiden sich offensichtlich die Geister. Meine Einschätzung: Ich sage auch „Werksverkauf“, was wäre dann der Unterschied zu „Werksstudent“?
Antwort: Laut Duden gibt es nur „Werkstudent“. Die meisten Wörter mit Werk- werden ohne Fugen-s gebildet: Werkstoff, Werkstück, Werktag … Vom Werkverkauf existieren beide Varianten: Werkverkauf und Werksverkauf. Ebenso: Werkwohnung oder Werkswohnung. Das Fugen-s ist leider keiner Regelmäßigkeit unterworfen; im Zweifel hilft also nur nachschlagen.
„Es waren Tausende“ – aber „x-Tausende“ oder „X-Tausende“? Wird das x auch zum Großbuchstaben? Eine Antwort fand ich nirgendwo.
Antwort: Tatsächlich ist das Wort nicht im Duden verzeichnet. Aber wir können bei „x-beliebig“ nachschauen. Dort findet sich das Beispiel „kein x-Beliebiger“. Hier bleibt das x auch in der Substantivierung klein. Daraus kann man schließen: Richtig ist „x-Tausende“.
Was ist die korrekte Schreibweise bei ausgeschriebener Zahl? „Ich habe a) tausendundeinen Wunsch, b) tausendundeine Wünsche, c) tausendundeins Wünsche.“
Antwort: Der Duden sagt: „tausendundeine Idee, mit tausendundein/(auch:) tausendundeins Fragen“. Demnach gibt es mehrere Möglichkeiten: Ich habe a) tausendundeinen Wunsch, c) tausendundeins Wünsche, d) tausendundein Wünsche. Nur Ihr b) geht nicht.
Was sieht die Orthographie bei folgendem Satzlaut vor: „Es kommt auf die Obstsorte und Obstqualität an.“ Schreibt man „Obstsorte und Qualität“, „Obstsorte und -qualität“ oder „Obstsorte und -Qualität“?
Antwort: „Obstsorte und -qualität“ ist richtig. „Obstsorte und Qualität“: Hier wäre es keine Obstqualität mehr, sondern nur noch eine Qualität. Auch die Variante „Obstsorte und -Qualität“ ist zu vermeiden, denn das ergäbe ausgeschrieben das Wort „Obst-Qualität“ mit (unüblichem) Bindestrich.
Wenn ich in einem Text über ein Datum schreibe und dieses Datum steht am Ende des Satzes, muss dann dort 1 Punkt oder müssen 2 Punkte gesetzt werden? Beispiel: „Mein Vertrag geht bis zum 30.09.“ oder „bis zum 30.09..“ Wie ist es richtig?
Antwort: Zwei Punkte hintereinander gibt es nicht. Sie dürfen also nur einen Punkt setzen; der Satzschlusspunkt entfällt.
Tipp: In meinem Kommatraining lernen Sie die richtige Kommasetzung in schwierigen Fällen.
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Henny meint
Wo ist denn der Pfeil versteckt, der zu den Lösungen führt? Ich kann ihn nirgendwo finden?
Dr. Annika Lamer meint
Hallo Henny,
das muss am Browser liegen. Eigentlich müssen Sie gar nicht auf den Pfeil klicken, sondern irgendwohin auf den Kasten (habe die Formulierung geändert). Klappt das?
Herzliche Grüße
Annika Lamer