Ein Weihnachtsfest. Auf Deutschlandbesuch: die Cousine zweiten Grades aus Amerika. Die Familie setzt sich an den Tisch. Erst herrscht peinliches Schweigen, weil niemand so recht weiß, worüber er sich mit ihr unterhalten soll. Dann entspinnt sich eine zähe Unterhaltung. Anstrengend! Wenn doch nur das Essen schon fertig wäre …
So ähnlich ist es mit der Startseite. Der Besucher Ihrer Website setzt sich an den Tisch – Ihre Startseite –, aber Sie haben keine Ahnung, was Sie ihm sagen sollen. Sobald alle essen, wird es einfacher – das wäre der Zeitpunkt, an dem er weiterklickt, etwa zu Ihren Leistungen. Aber erst mal sitzen Sie hier am Tisch und müssen ihn irgendwie unterhalten.
Was ich damit meine: Es ist gar nicht so einfach, die Startseite mit Inhalten zu füllen. Was zum Teufel schreibt man da?
Ein wunderbarer Ansatz dafür ist, genau einen einzelnen, schönen Knackpunkt zu finden – etwas, das den Besucher in Ihre Website hineinziehen wird. Ich nennen das das „Kribbeln“: Ihr ideales Gesprächsthema für die Cousine aus Amerika. Darum soll es heute gehen.
Über Sinn und Zweck der Startseite
Liest die Startseite überhaupt jemand? Berechtigte Frage. Viele Nutzer/innen werden direkt auf „Leistungen“ oder eine ähnliche sprechende Seite klicken. Oder eine Ihrer Unterseiten rankt bei Google besser und die meisten Nutzer kommen erst später oder gar nicht auf die Startseite.
Der Punkt ist aber: Jede Website braucht eine Startseite (bei Onepagern ist es der oberste Bereich). Weglassen können Sie sie nicht. Sie müssen sie also für diejenigen Nutzer konzipieren, die sie a) tatsächlich lesen und b) als Erstes lesen.
Halten Sie es kurz
So weit, so gut. Und jetzt tun Sie Ihren Nutzern einen Gefallen und halten Sie sie kurz. Sie brauchen auf der Startseite nicht Ihre kompletten Leistungen aufzuführen oder Ihr Unternehmen in epischer Breite vorzustellen. Dafür gibt es Ihre Unterseiten (oder die weiteren Bereiche Ihres Onepagers) – Leistungen, Über uns …
Auf der Startseite hingegen sollten Sie sich ganz klar auf den tatsächlichen Knackpunkt Ihres Angebots konzentrieren.
Haben Sie eine „alte“ Website nach dem klassisches Baukastenprinzip, werden Sie jetzt womöglich Probleme bekommen. Dann nämlich, wenn Sie auf der Startseite einen größeren Textblock füllen müssen, damit sie nicht leer aussieht. Mit dem Kurzhalten wird es dann schwer.
Modernes Webdesign setzt hingegen mehr aufs Visuelle. Vielleicht gibt es ein großes Startbild. Vielleicht müssen Sie nur einen Slider mit knackigen Headlines füllen. Oder es gibt drei Icons, zu denen Sie kurz Ihre wichtigsten Aussagen schreiben. Wie auch immer Sie es grafisch ausgestalten, das Ding ist, eben nicht in einen langen Vortrag zu verfallen, sondern sich auf den Knackpunkt Ihres Angebots zu konzentrieren.
Unterschied zum USP
Und was ist dieser Knackpunkt? Ganz genau, jetzt kommen wir zum spannenden Teil. Diesen Knackpunkt zu finden, ist nämlich gar nicht so einfach.
„Ah, Frau Lamer meint bestimmt den USP, mein Alleinstellungsmerkmal“, denken Sie jetzt vielleicht. Aber USP und Knackpunkt sind nicht immer deckungsgleich. Angenommen, Ihr USP ist Ihre umfangreiche Beratung. Doch was, wenn die Kundin noch gar nicht weiß, welche Vorteile ihr eine solche Beratung bringt? Davon können Sie sie später immer noch überzeugen. Im Moment des Erstkontakts ist es aber vielleicht gar nicht ihr Thema, sie kommt vielleicht auf Ihre Website und interessiert sich nicht die Bohne für Beratung.
Hier nähern wir uns der Sache. Wenn die Kundin sich nicht für Beratung interessiert – wofür interessiert sie sich dann?
Der Knackpunkt ist ein Kribbeln
Formulieren wir das noch einmal um: Was ist das Anliegen Ihrer Kundin und welche Lösung haben Sie dafür? Das lässt sich auch als „Schmerz“ bezeichnen. Aber das klingt ziemlich negativ, Ihre Kundin soll ja nicht leiden. Begreifen wir diesen Schmerz daher besser als Kribbeln.
Das Kribbeln kann sein:
- Hilfe, ich habe Angst, bei meinem Datenschutz etwas falsch zu machen. Was, wenn ich abgemahnt werde?
- Ich kriege diesen blöden Text einfach nicht hin, das ist mir echt peinlich.
- Bei meiner nächsten Gartenparty sollen mich alle für meinen schön gestalteten Garten bewundern.
Es geht also um Emotionen. Dieses Kribbeln wird Ihr Knackpunkt. Um darauf zu kommen, müssen Sie Ihre Kundin natürlich sehr gut kennen. Schaffen Sie sich dafür eine Buyer Persona: eine konkrete Kundenpersönlichkeit, in die Sie sich so gut wie möglich hineinversetzen. Was treibt sie an, was triggert sie, was ist ihr Schmerz?
Dann können Sie auf der Startseite:
- als Datenschutzbeauftragte/r: die Sorgen Ihrer Kundin ansprechen und sagen, wie Sie sie für sie lösen
- als Texter/in: ihr ein gutes Gefühl geben, dass es ganz normal ist, nicht weiterzukommen, und dass Sie dafür da sind
- als Landschaftsgestalter/in: eine Idee davon vermitteln, wie gut sie sich in einem schön gestalteten Garten fühlen wird, und wie Sie das hinkriegen
Wie Sie sehen, bestehen meine Beispiele immer aus zwei Komponenten: der Schmerz (das Kribbeln) der Kundin und meine Heilung dafür.
Bitte mit Feingefühl
Gefühle sollten jedoch nicht immer explizit ausgesprochen werden. Erwähnen Sie nicht, dass Ihre Kundin mit ihrem Garten andere neidisch machen will. Das will ja keiner zugeben. Es geht darum, so etwas nur ganz subtil zu vermitteln.
Generell gilt: Überfahren Sie Ihren Kunden nicht. Lautes Marketing können Sie Ihren Mitbewerbern überlassen. Also dieses: „He, Sie kriegen ja eh nichts allein auf die Kette, dafür sind wir da, wir sind die Tollsten, Ihnen wird der Mund offenstehen“ – davon rate ich Ihnen ab. Besser sind Empathie und Feingefühl – dann wird der Kunde sich auch öffnen.
Können Sie sich nicht auf ein einzelnes Kribbeln festlegen, können Sie auch mehrere ansprechen. Übertreiben Sie es damit jedoch nicht, sonst rutscht es in die Beliebigkeit. Wer alle ansprechen will, spricht niemanden mehr an. Bis zu drei Kribbelgefühle können auf der Startseite noch funktionieren – wenn sie nicht zu komplex sind.
Fazit: Die Startseite ist Ihr Einstieg ins Gespräch
Um mit der fremden Cousine aus Amerika ein schönes Weihnachtsfest zu verbringen, müssen Sie sie also nur kennenlernen. Versuchen Sie zu verstehen, wie sie tickt und was ihr Kribbeln ist. Dann haben Sie einen wunderbaren Einstieg ins Gespräch. Die Cousine wird sich wohlfühlen, sie wird beim Essen ordentlich zulangen und gern noch länger bleiben wollen. Heißt: Der Kunde fühlt sich angesprochen und kauft.
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Doreen Hädicke meint
Comes in handy … sehr hilfreicher Beitrag, super strukturiert. Danke!
Sasha Deloch meint
Immer wieder gut diese Reminder mit dem „Weniger ist mehr“ und „Wollen sie alle ansprechen, sprechen Sie niemanden an.“ Das kann man sich nicht oft genug vor Augen führen. Auch, wie wichtig im Marketing eine Buyer Persona ist. Wir haben es nun mal überall mit Menschen zu tun, da spielen Gefühle immer eine wichtige Rolle – auch bei einem technischen Produkt. Am Ende verkauft man es an einen Menschen.
Vielen Dank für Ihre tollen Blogbeiträge, die sehr gut durchdacht geschrieben sind. Ich lese sie sehr gerne!
Dr. Annika Lamer meint
Vielen lieben Dank, Herr Deloch! „Am Ende verkauft man das Produkt an einen Menschen“ ist ein sehr guter Satz. 🙂
Beste Grüße
Annika Lamer